Die Troerinnen sind zunächst Hinterbliebene eines Krieges. Was zeichnet sie als Figuren aus?
SD Die Troerinnen sind Frauen aus guten sozialen Verhältnissen. Unser Konzept betont, dass Hekabe und Andromache von der Macht ihrer Männer profitiert und mit ihren Söhnen „Helden produziert“ haben. Wir wollen von dem Verlust der Frauen erzählen und ihre materielle und emotionale Abhängigkeit von Männern überprüfen.
JS Aber es gibt auch Helena, die aus Sparta kommt, wo Frauen freier waren und viel mehr Rechte hatten als in Troja. Wie Kassandra gehört sie einer neuen Generation an, beide sind viel selbstbewusster und zukunftsorientier. Sie stehen für ein gesellschaftliches Modell, das nicht zu Kriegen führt.
Wo befinden sich die Frauen im Stück?
SD: Unsere Bühne erinnert an ein zerbombtes, im Krieg zerstörtes Theater. Vielleicht weckt das Assoziationen zu Mariupol. Aber wir definieren das nicht, es geht um eine zeitlose Situation. Der Bote Thaltybios, der den Frauen Nachrichten überbringt und sie mit ihrem weiteren Schicksal konfrontiert, erinnert bei uns an einen Psychotherapeuten, der in einer Unterbringung für Kriegsopfer arbeitet und die Frauen dabei unterstützt, sich mit ihren Traumata auseinanderzusetzen.
Welche Rolle spielen die Götter?
JS Schon im Original von Euripides sprechen die Figuren aufgeklärter über Götter als bei Sophokles. Diese Krise des Glaubens und die Verantwortung des Menschen ist ein wichtiges Thema in Sartres Bearbeitung und unserer Fassung.
Welche Aspekte des Trojanischen Kriegs interessieren Euch beispielhaft für heutige Kriege?
SD Im Stück wie in unserer Inszenierung geht es um die Auswirkungen von Krieg auf die Frauenbevölkerung. Frauen, die alles verlieren, ihre Kinder, ihre Männer, ihre Familie. Uns interessiert auch die Verbindung zu einer Kritik am Patriarchat. Es sind mächtige Männer in patriarchalen Gesellschaften, die Kriege unserer Gegenwart führen. Inwieweit beteiligen sich die Frauen daran und stützen dieses System?
JS Eine zentrale Rolle spielt dabei der Konservativismus. Auch Putins Propaganda im Ukrainekrieg ist auf Konservativismus aufgebaut, der ein traditionelles Familienbild und die Rolle des „starken Mannes“ dem Liberalismus und europäischen Werten gegenüberstellt. Wieso hat man aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts so wenig gelernt? In der Slowakei haben viele Menschen mehr Angst vor der LGBTQ+-Community als vor nachweislich kriminellen Politikern.
SD Was uns sehr interessiert ist, ob die Troerinnen die Logik der Rivalität verlassen und einander unterstützen können.