Ewald Baringer, APA
Alan Ayckbourns beliebte Weihnachtskomödie hat am Mittwochabend ... in einer rundum überzeugenden Inszenierung von Sarantos Zervoulakos für beste Unterhaltung gesorgt. Fürwahr ein pralles Stück, das auch 36 Jahre nach der Uraufführung nichts von seiner stringenten Treffsicherheit verloren hat: Bissiger Humor, perfide Dialoge und ein skurriles Personal garantieren einen amüsanten Abend jenseits billigen Klamauks. Drei Ehepaare, zwei Singles und ein sonderlicher Schriftsteller verbringen die Feiertage gemeinsam - und schlittern allesamt in eine tiefe Malaise. Latente Konflikte schaukeln sich hoch, Frustrationen wollen kompensiert sein, hoher Alkoholkonsum tut das Seine. Am Ende liegt der Schriftsteller angeschossen am Boden, die Farce mündet in einen durchaus tragödischen Ausgang, unbeschadet kommt hier niemand raus. Ein wunderbares Ensemble par excellence ist am Werk: Lukas Spisser als reparierwütiger Unternehmer Neville, Bettina Kerl als seine vernachlässigte Ehefrau Belinda, Jaschka Lämmert als seine versoffene Schwester Phyllis, Michael Scherff als deren Mann Bernard (ein schlechter Arzt, der zudem mit jährlichem Puppenspiel nervt), Tim Breyvogel als smarter, aber sich vor jeder Aufgabe drückender Eddie, Zeynep Bozbay als seine schwangere, stets in die Opferrolle geratende Frau Pattie, Tobias Artner als schräger Jungautor, Eva Maria Sommersberg als ihn verehrende Schwester Belindas und schließlich Franz Xaver Zach als schrulliger Harvey, dessen unterschwellige Aggressivität zuletzt zur Eskalation führt. Bühne und Kostüme sind von Christian Kiehl äußerst stimmig gestaltet. Wer auch immer eine boulevardeske Pflichtübung erwartet hatte, wurde aufs Erfreulichste enttäuscht. Zervoulakos stellt eine sehenswerte Produktion auf die Bühne, die viele Zwischentöne und Schattierungen erfasst, Pointen nicht breitschlägt, sondern zündet, und zwischenmenschlicher Tragikomik Raum gibt. Gut gemachte Videos (Nazgol Emami) in den Umbaupausen verstärken die burlesken Züge dieser wohlgeratenen Produktion.
Michael Wurmitzer, Der Standard
Wegen der Kinder und wohl auch aus Gewohnheit hat man es in Alan Ayckbourns Schöne Bescherungen noch nicht aufgegeben, Weihnachten zusammen zu verbringen. Weil Familie ist, wenn man trotz allem zusammen unterm Baum sitzt und süffelt. Den Baum Christian Kiehl (liebevoll die Ausstattung) in die Bühnenmitte des Niederösterreichischen Landestheaters gestellt. Daneben den Fernsehsessel, in dem der etwas rabiate Onkel (Franz Haxer Zach) am heiligen Abend Gewaltfilme schaut; davor die Stehleiter, auf der Belinda (Bettina Kerl) zwecks Aufputz im kurzen Kleidchen herumturnt, doch nicht einmal das beschert ihr noch die Aufmerksamkeit des Gatten (Lukas Spisser). Seine trinkfreudige Schwester (Jaschka Lämmert) ist indes in der Küche schon fertiger als der Lammbraten, ihr Mann (Michael Scherff) fiebert, anders als der Rest, seiner alljährlichen Puppentheatereinlage entgegen. Noch die dysfunktionalste Komödienfamilie braucht eben eine gelungene Zusammensetzung. Jene erweitern Zeynep Bozbay und Tim Breyvogel als darob nicht übermäßig frohe Jungeltern. ... Das gewohnte Alle-Jahre-Wieder also, wäre da nicht der Gast der frigiden Rachel (Eva Maria Sommersberg): ein etwas verhuschter Literat (Tobias Artner), an dem die übrigen Damen bald sichtlich Interesse zeigen. Wie alles Übrige an dieser Feier zwischen Frust und Exzess muss aber auch der Ehebruch unterm Bethlehemstern pflichtschuldig misslingen. Was nicht wenig konstruiert und stereotyp klingt, ist es auch. ... Flott lässt Regisseur Sarantos Zervoulakos die latenten Krisen – Ehe, Kinder, Verwandtschaftsanimositäten, Karriere – ausbrechen und vom bravourös spieleifrigen Ensemble treffsicher aufschaukeln. Tatsächlich eine schöne Bescherung, die in St. Pölten da gelungen ist.
Norbert Mayer, Die Presse
... Sarantos Zervoulakos setzte diese Farce voller Beziehungskrisen und enttäuschten Erwartungen in zweieinhalb Stunden recht schwungvoll. Das junge Ensemble setzt die Pointen gekonnt. Besonders hervorzuheben ist Franz Xaver Zach, der kurzfristig wegen Erkrankung eines Kollegen eingesprungen ist und den irren Onkel Harvey spielt, einen pensionierten Wachmann, der vor der Glotze sitzt und brutale Filme schaut. ... Harvey ist wie jedes Jahr zu Gast bei Neffe Neville (Lukas Spisser). Dieser interessiert sich mehr fürs Basteln als für seine Frau, Belinda (Bettina Kerl), die aufreizend auf der Leiter vor dem Christbaum turnt, ihn schmückt. Dieser Baum mit seinen technischen Finessen ist das Zentrum der von Christian Kiehl gestalteten Bühne. In Eddie (Tim Breyvogel), dessen Frau, Pattie (Zeynep Bozbay), zum vierten Mal schwanger ist, hat Neville einen gleichgesinnten, wenn auch erfolglosen Gesinnungsgenossen. Vor ihren Frauen flüchten sie verlässlich, wenn sie sie in die Pflicht nehmen. Das skurrilste Ehepaar aber sind Nevilles Schwester Phyllis und ihr Mann, Bernard: Jaschka Lämmert spielt eine frustrierte Gattin im Dauerrausch, ihre Kochkünste sind gefürchtet. Sie hat vielleicht allen Grund zur Weltflucht. Ihr Mann (Michael Scherff) ist Pazifist, ein schlechter Arzt, ein noch schlechterer Puppenspieler. Wenn er auf dem Höhepunkt des Spiels „Die drei kleinen Schweinchen“ in 16Szenen probt, ist es bestes schlechtes Theater – ein Horror für die Erwachsenen. ... Belindas verklemmte Schwester Rachel (Eva Maria Sommersberg) hat den skurrilen Schriftsteller Clive (Tobias Artner) mitgebracht, den sei unlängst kennengelernt hat. Sie leben sogleich ihre erste Krise aus. Sie wird dadurch befeuert, dass die anderen Damen den jungen Herrn zu ihrem obskuren Objekt der Begierde machen wollen. Sex unterm Weihnachtsbaum? Einen Versuch ist es hier fast jeder wert, aber in Komödien zählt die Absicht, selten der Vollzug. Deshalb kann man nach dieser Weihnachtsfeier sagen: Gerade noch einmal gut gegangen. Bei solch einem schießwütigen Onkel und einem gnadenlos faden Puppenspieler wirkt das wie ein Wunder.
Peter Jarolin, Kurier
... Im Landestheater Niederösterreich hat sich Regisseur Sarantos Zervoulakos dieses gar nicht so friedlichen Weihnachtsfestes nun angenommen und strapaziert ... recht souverän die Lachmuskeln. Christian Kiehl hat dafür die passende Weihnachts-Deko-Bühne wie auch witzige Video-Projektionen ersonnen; das St. Pöltener Ensemble kann nach Herzenslust zwischen Sinn und Irrsinn wandeln. Selbst die Geschichte der "Drei kleinen Schweinchen" (samt all ihrer Verwandten!) darf nicht fehlen. Gespielt wird zwischen sehr gut und solide. Ausgezeichnet etwa Bettina Kerl als sexuell unbefriedigte Belinda oder Michael Scherff als weder im Leben noch im Puppentheater die Strippen ziehender Onkel Bernard. Lukas Spisser, Tim Breyvogel und Franz Xaver Zach (als Einspringer) zeichnen gute Typen; Jaschka Lämmert, Eva Maria Sommersberg und Zeynep Bozbay halten tapfer dagegen. Und als "Eindringling" in das Nicht-Familien-Idyll macht Tobias Artner auch als Weihnachtsmann eine gute Figur. Eine vorweihnachtliche Bescherung also, die für gute Laune sorgt.
Kultur und Wein
... Absolut frei von Sentimentalität wird der Weihnachtsabend einer ganz normalen Familie auf die Bühne gestellt. Neville (Lukas Spisser) ist erfolgreicher Geschäftsmann, der für genügend Wodka gesorgt hat und stolz seine technischen Entwicklungen wie einen übers Handy steuerbaren Christbaum inklusive Beleuchtung präsentiert. Seine Frau Belinda sieht sich dadurch jedoch zum häuslichen Arbeitssklaven degradiert und hätte gerne etwas mehr Einsatz seitens ihres Gatten, wohl auch im Bett. Schon bei der ersten Gelegenheit, die sich bietet, macht sie dem jungen Schriftsteller Clive (Tobias Artner) ziemlich eindeutige Avancen. ... Als deren alkoholsüchtige Schwägerin Phyllis macht sich auch Jaschka Lämmert, angetan mit sexy Minikleid und Glitzerstrümpfen, an den Schriftsteller heran, obwohl dieser eigentlich wegen Rachel (Eva Maria Sommersberg) gekommen ist. Diese junge Frau sieht jedoch alle Probleme dieser Welt in einer sexuellen Beziehung vereinigt und verliert selbstverständlich den Kampf um den Mann. Eddie (Tim Breyvogel), der Loser, und seine zum vierten Kind schwangere Frau Pattie (Zeynep Bozbay), tragen auf ihre Weise kräftig zum Geschehen bei, er mit einem Mordsrausch, sie als Assistentin von Bernard (Michael Scherff), einem nach eigenen und anderen Aussagen unfähigen Arzt und Gatten von Phyllis. Er will wie jedes Jahr ein Puppenspiel aufführen, gegen alle Einwände der lieben Familie. Heuer sind es die drei kleinen Schweinchen, die am Spielplan stehen. Man möchte so gerne mehr von diesem Stück sehen, von dieser Satire in der Satire auf eine etwas aus den Fugen geratene Gesellschaft. Aber es gibt noch Onkel Harvey, der auf seine Weise genial destruktiv auf jede Feiertagsstimmung einwirkt. Franz Xaver Zach lässt dabei vergnüglich den Ungustl heraushängen, der ständig in die Glotze schaut, jeden anderen für alles Mögliche verdächtigt und am Schluss sogar das Puppenspiel zerstören will.
Beate Steiner, NÖN
Wenn Alan Ayckbourn sich bigotter Weihnachtsrituale annimmt, ist witzige Unterhaltung garantiert. Der britische Meister der Farce seziert in "Schöne Bescherungen" mit bissigem Humor, treffsicheren Dialogen und zündenden Pointen den festtäglichen Horror, der viele Familientreffen alle Jahre wieder ereilt. Drei beziehungsgeschädigte Paare, ein aggresives Alter, eine frustrierte Single-Frau und ein schriller Schriftsteller schlittern in den Weihnachtswahnsinn - ein hintergründiges Vergnügen, das Ayckbourn da aus den Schwächen seiner Protagonisten herausholt. Die flotte Inszenierung von Sarantos Zervoulakos und das exzellente Ensemble des Landestheaters sorgen für einen vergnüglichen Abend ohne billigen Klamauk, aber mit so manchem Déjà-vu. Fazit: Schöne Bescherungen des Landestheaters zur heiteren Entspannung in stressiger Zeit.
Eva Riebler, LitGes
Seit 1980 gibt es dieses Weihnachtsstück, das slapstickartig, leicht und flockig über die Bühne geht und trotzdem die unglaublichen Tiefen der Mitmenschlichkeit auslotet. Die Familie ist Schauplatz der Dramatik. ... Sehnsucht, fehlende Selbstverwirklichung, fehlende Erotik/Sexualität und Wunsch nach Entkommen aus der Enge der Ehebeziehung mögen Ursachen sein. jedenfalls gebärden sich so manche Familienmitglieder, wie auch der eingeladene Gast/Tobias Artner wie Schweine oder Schweinchen. ... Ja, Bewegungsfreiheit und Zufriedenheit gibt es in glücklichen Beziehungen, aber das und der Weg dorthin wird uns auf der Bühne nicht vorgespielt. Dem Publikum bleibt die Möglichkeit zur Einsicht, vor allem da das Stück forsch und klug gespielt wurde. Das moralische Augenmaß wird treffsicher wie anschaulich gebracht. Den Schauspielern wie dem Dramaturgen gelingt es Spannung zu erzeugen, wie erkennendes Lächeln zu zaubern. Der lästige moralische Zeigefinger wird nicht ausgefahren und vom Prototyp der Übertreibung oder Typisierung Abstand genommen. Ein wunderbares Weihnachtsstück, gelobt seien auch die Visuals, die einen inhaltlichen und ironischen Mehrwert für diese Produktion bringen! Gratulation!